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    Entwicklungen im Schwerpunkt Neurobiologie der Universität Tübingen in den letzten Jahren

    In den letzten 20 Jahren wurde in Tübingen stetig an der Entwicklung eines Wissenschaftsschwerpunkts im Bereich der Neurobiologie gearbeitet. Dieser ist nunmehr durch den Wissenschaftsrat und die Landesregierung anerkannt. Ausgehend von den Max-Planck-lnstituten für biologische Kybernetik (Prof. Reichhardt, Prof. Kirschfeld, Prof. Götz, Prof. Braitenberg) und für Entwicklungsbiologie (Prof. Bonhoeffer, Prof. Gierer, Prof. Nüsslein-Vollhart, Prof. Uli Schwarz) mit Schwerpunkten in der neurobiologischen Forschung, besonders am visuellen System, entwickelten sich die Arbeitsgruppen des Friedrich-Miescher-Laboratoriums mit besonderer Anziehungskraft und Wirkung gerade für jüngere Nachwuchswissenschaftler im Gebiet der Neurobiologie und der Sinnessysteme. Auch die jüngsten Nachfolgeberufungen der Max-Planck- Gesellschaft in Tübingen (Prof. Bülthoff, Prof. Logothetis) zeigen, daß diese Schwerpunktsetzung von Seiten der Max-Planck-Gesellschaft beibehalten wird und in Richtung des visuellen Systems weiterentwickelt wird, sowohl der systemorientierten komplexeren Verarbeitung im zentralen Nervensystem als auch in Richtung der neurobiologischen Grundlagen dieser Funktionen. In den Max-Planck-lnstituten werden gemeinsam mit der Fakultät für Biologie und der medizinischen Fakultät zahlreiche Diplomanden und Doktoranden betreut und es besteht ein reger Austausch zwischen Max-Planck-Laboratorien und universitären Laboratorien auch im Bereich der Post- Doktorandenförderung.

    In der medizinischen Fakultät der Universität Tübingen wurde der neurobiologische Schwerpunkt ebenfalls nachhaltig weiterentwickelt. Ausgehend von der Berufung von Herrn Prof. Dichgans auf den Lehrstuhl für Neurologie kam es in enger Zusammenarbeit mit den Max-Planck-lnstituten und der Fakultät für Biologie (Prof. Schnitzler) 1985 zur Gründung des Sonderforschungsbereiches 307 "Neurobiologische Aspekte des Verhaltens und seiner pathologischen Abweichungen". In diesen Sonderforschungs- bereich-entwickelten sich zahlreiche Arbeitsgruppen sowohl im Bereich der Neurologie und der Neuro-Biologie als auch der neurobiologisch/klinischen und der neuropsycho- logischen Themat;k (Prof. Birbaumer), mit vorwiegend systemonentierter Ausrichtung der Fragestellungen und Methoden. Dieser Sonderforschungsbereich wird in Kürze seine letzte Förderperiode (12. bis 15. Jahr) erreichen; die Beziehungen dieses Sonderforschungsbereichs mit dem neuzugründenden SFB werden weiter unten dargelegt.

    Die Schwerpunktbildung im Bereich der Neurobiologie und die nachhaltige Wirkung in den klinischen Neurowissenschaften haben die Berufungspolitik der medizinischen Fakultät in den letzten 8 Jahren geprägt und die Neurobiologie in Richtung der Sinnesbiologie deutlich erweitert und verstärkt. Mit der Berufung des Leibnizpreisträgers Prof. Zenner auf den Lehrstuhl für allgemeine Hals-, Nasen-, Ohren- Heilkunde 1988 und von Herrn Prof. Zrenner auf den Lehrstuhl für Pathophysiologie des Sehens und Neuroophthalmologie wurden an die HNO-Klinik und an die Augenklinik Wissenschaftler berufen, die auch in der Grundlagenforschung des auditorischen bzw. visuellen Systems ausgewiesen sind und an ihren Kliniken mit erheblicher Drittmittelunterstützung grundlagenwissenschaftlich arbeitende Forschungsgruppen aufgebaut haben (Prof. FahJe, PD Dr. Schaeffel, PD Dr. Sharpe, Drs. Günther, Kremers, Wissinger an der Augenklinik, Prof. Gummer, Drs. Plinkert, Brändle, Glowatzki, Knipper und Löwenheim an def HNO-Klinik). Im Rahmen von Rufabwendungsverfahren (Prof. &enner: Aston-University Birmingham, McGill-University, Montreal; Prof. Zenner: Charite, Berlin) hat die Universität die räumlichen, sächlichen und personellen Grundvoraussetzungen geschaffen, daß die Augenklinik und die HNO-Klinik über eine stabile Grundausstattung gerade für zell- und molekularbiologische Forschungsrichtungen im Bereich der sensorischen Systeme für die Planung längerfristiger anspruchsvoller Projekte verfügen.

    Aus diesen Bestrebungen sind auch zwei klinische Forschergruppen der DFG hervorgegangen: eine gemeinsam von der Augenklinik und der Neurologischen Klinik beantragte Forschergruppe mit zwei C 3 -Professuren (Sektion für visuelle Sensorik, Prof. Fahle, Augenklinik, und Sektion für visuelle Sensomotorik, Prof. Thier, Neurologische Klinik; Laufzeit 1992 bis 1998) und eine klinische Forschergruppe "Hörforschung" (Prof. Gummer, Laufzeit 1992 bis 1998) an der HNO-Klinik. Diese Gruppen sind in Forschungsverfügungsgebäuden der Universität untergebracht.

    Bei der Berufung auf den Lehrstuhl für Anatomie wurde ein auf dem Gebiet der Netzhautforschung international ausgewiesener Wissenschaftler berufen (Prof. Dr. Wagner). Für den Lehrstuhl für Physiologie konnte nach Ablehnung des Rufes nach Köln Prof. Ruppersberg gewonnen werden, dessen Schwerpunkte auf den Gebieten Sinnes- und Neurophysiologie liegen. So konnten auch die morphologischen, ultrastrukturellen und physiologischen Methoden auf diesem Gebiet in Tübingen angesiedelt und hochqualifizierter- Sachverstand in diesem Bereich zur Verfügung gestellt werden. Die Berufung von Prof. Schrnidt als Leiter der Verhaltensneuropharmakologie (Biologische Fakultät) ermöglicht Kooperationen mit den humanpharmakologischen Gruppen der Neurologischen Klinik (Dr. Löschmann, PD Dr. Klockgether) und der Augenklinik (PD Dr. Schäffel, Frau Dr. Feldkämper).

    In diesem Umfeld konnten weitere international ausgewiesene Wissenschaftler zeitlich befristet mit Hilfe von Hermann-und-Lilly-Schilling-Stiftungsprofessuren nach Tübingen geholt bzw. in Tübingen gehalten werden und Arbeitsgruppen in folgenden Gebieten aufgebaut werden: PD Dr. Thanos, Abtl. I der Univ.-Augenklinik (Degeneration und Regeneration des visuellen Systems), PD Dr. Schaeffel, Abtl. 1I der Univ.-Augenklinik (Wachstumssteuerungen des Auges und der Entwicklung der Kurzsichtigkeit), PD Dr. Sharpe, Forschungsstelle f. experimentelle Ophthalmologie (Photorezeptoraktion und - interaktion), PD Dr. Klockgether, Neurolog. Klinik (Degenerative Erkrankungen des Zentralnervensytems), PD Dr. Bähr, Neurolog. Klinik (Regeneration irn Zentralnerven- system von adulten Säugetieren).

    In der Neurologischen Klinik sind neben den bereits früher etablierten systemorientierten Arbeitsgruppen neue zell- und molekularbiologische Gruppen entstanden: PD Dr. Bähr (neuronale Regeneration), Drs. Klockgether, Weller, Wüllner, Schulz (Überlebenssicherung, Degeneration, Neurobiologie der Apoptose). In dem von der Universität 1995 in Betrieb genommenen Forschungsverfügungsgebäude auf der Morgenstelle sind jetzt die zell- und molekularbiologisch arbeitenden Forschungsgruppen der Augenklinik und der Neurologischen Klinik gemeinsam unter sehr guten Arbeitsbedingungen unter gebracht worden.

    Durch die Berufung des Leibnizpreisträgers Prof. Birbaumer auf den Lehrstuhl für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie konnte eine grundlagenwissenschaftlich arbeitende und neurobiologisch ausgerichtete Verhaltenspsychologie mit einer von der DFG geförderten Forschergruppe (Schmerz) in Tübingen angesiedelt werden, so daß auch höhere Himfunktionen und komplexere sinnesbiologische Mechanismen in Tübjngen einen Forschungsschwerpunkt gefunden haben.

    Die Fakultät ist derzeit in Überlegungen, eine Professur und Abteilung für Kernspin-Spektroskopie einzurichten. Damit wäre es möglich, mittels NMR-Spektroskopie in vitro und in vivo zu untersuchen, wie sich der Metabolismus und die Osmoregulation von Neuronen und Gliazellen bei exzitatorischem Streß verändert. An dem hiesigen lnstitut für Neuroradiologie ist eine klinisch orientierte Professur für Kemspinresonanz (Prof. Grodd) bereits angesiedelt. Sollte eine Berufung und Etablierung eines grundlagen- wissenschaftlichen Institutes zustande kommen, so wäre in Kooperation mit Prof. Grodd im nächsten Antragszeitraum eine Erweiterung des SFB in Richtung Kernspin- Spektroskopie denkbar.

    Im Rahmen der in den nächsten zwei bis vier Jahren erforderlichen Umstrukturierung der Humangenetik hat die Fakultät empfohlen, zwei C4-Professuren in der klinischen Genetik und in der allgemeinen Genetik neu auszuschreiben unter besonderer Berücksichtigung der am Ort angesiedelten Sonderforschungsbereiche. Von wenigen Jahren wurde bereits eine C3 Professur mit Abteilung für molekulare Genetik (Schwerpunkt Onkologie, Prof. Blin) eingerichtet.

    Durch das unter der Federführung der Fakultät für Biologie seit einigen Jahren etablierte iertenkolleg Neurobiologie, geleitet von Prof. Schnitzler, werden Promotions- und Forschungsarbeiten von besonders qualifizierten DoktorandenInnen und PostdoktorandenInnen in neurobiologischen Fragestellungen nachhaltig gefördert. Durch den geplanten Sonderforschungsbereich werden die Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs durch weitere Qualifizierung nachhaltig verbessert.

    Jüngst hat die Medizinische Fakultät eine Schwerpunktbildung im Bereich der Sinnes- und Neurobiologie dadurch unterstützt, daß sie in einem Antrag auf Errichtung eines interdisziplinären klinischen Forschungszentrums (IKFZ: "Zellbiologie in Diagnostik und Therapie bei Erkrankungen von Organsystemenn) als einen von drei Schwerpunkten die sensorischen Systeme und das ZNS förrdern möchte. Dadurch kann die notwendige Grundausstattung für einen zell- und molekularbiologisch orientierten Sonderforschungsbereich über eine BMBF geförderte Anschubfinanzierung geschaffen werden, die nach Ablauf der BMBF-Förderung im Etat des Klinikums festgeschrieben wird. Dadurch sehen wir in Tübingen beste Voraussetzungen für einen in den angegebenen Forschungsgebieten nachhaltig wirksamen SFB gegeben.

    Aus den Entwicklungen wird auch deutlich, daB sich neben dem systemorientierten Ansatz in den letzten Jahren in Tübingen in allen beteiligten Institutionen zusätzliche zellulär- und molekularbiologisch orientierte Arbeitsgruppen etabliert haben. Dadurch sind neben dem bisherigen verhaltensbiologisch orientierten Sonderforschungsbereich neue molekular und zellbiologisch arbeitende Einzelgruppen entstanden. Diese neuen Gruppen sollen durch den neuzugründenden Sonderforschungsbereich - gegenuber dem SFB 307 nun nicht mehr verhaltensbiologisch sondern molekular- und zellbiologisch orientiert - synergistisch und interagierend zusammengefaßt werden. Die notwendige Vielfalt der wissenschaftlichen Ansätze soll integriert werden. Die finanzielle Ausstattung der beteiligten Institute reicht mit der vorhandenen Drittmittelausstattung allenfalls mittelfristig und droht bei Einzelprojektförderung einen eher de-strukturierenden Effekt zu haben.

    Um das Potential der Tübinger Arbeitsgruppen voll zu entfalten, soll durch den SFB im Bereich der zell- und molekularbiologischen Neuroforschung eine Bündelung der Zielstellungen und Ressourcen erfolgen, die, wie wir zuversichtlich annehmen, in überschaubaren Zeiträumen wissenschaftliche Durchbrüche erlauben.




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